So knapp vor Abschluss unserer Reise ist es soweit: die cuyeria liegt genau um Punkt zwölf auf unserem Weg. Oft schon hätte sich die Gelegenheit ergeben, die Anden-Spezialität „Meerschweinchen vom Grill“ zu probieren, bisher hatte es nicht gepasst. Aber jetzt! Wir kehren ein, das cuy kommt vom Holzkohlengrill direkt auf unseren Teller. Fazit: es muss nicht sein. Nicht viel dran, die Meinungen über den Geschmack gehen von Fisch (!) über Schweinespeck bis Hase und der Anblick des gebratenen Kuscheltiers und dann seiner Überreste ist für unsere Augen sehr gewöhnungsbedürftig.
Wir stoppen in der angeblichen Mitte der Welt, dem Mitad del Mundo, und auch wenn sich die geodätische Expedition im 18. Jahrhundert um 180 Meter verrechnet hatte und die Äquatorlinie nicht genau dort ist, wo sie hier aufgezeichnet wurde, so fühlt es sich doch besonders an, auf der Süd- und Nordhalbkugel zu stehen.
Pünktlich zum samstäglichen Wochenmarkt treffen wir in Otavalo ein und beginnen unsere Shoppingtour am Tiermarkt. Die Kleidung der OtavaleñsInnen erinnert uns an die der BewohnerInnen von Saraguro, doch hier trägt der señor eine weiße knöchellange Hose, schwarzen Poncho, der Hut ist aus Filz, der Zopf geflochten und lang. Die señoras kleiden sich in dunkelblaue lange Wickelröcke, mit floralen Mustern reichbestickte weiße Rüschenblusen, breite bunte Webgürtel und einen schwarzen, über eine Schulter getragenen Umhang, der lange schwarze Zopf ist mit einem schmalen Webband mit Bommeln umwickelt. Auch die Mädchen tragen die traditionelle Kleidung, nicht nur als Schuluniform. Männer, Frauen und Kinder gehen in speziellen Sandalen mit weißer Sohle, die sehr unbequem wirken, es hoffentlich nicht sind. Am Tiermarkt werden in extra Sektionen Schweine, Kühe und Kleintier verkauft, es gibt eigene Stände für geknüpfte Seile, mit denen das erworbene Gut gleich nach Hause gezogen wird, Füttertröge aus alten Autoreifen sind erhältlich. Die Hähne werden in extra Täschchen zum Verkauf angeboten, Kleinvieh wird direkt in einen Getreidesack gesteckt und der quiekende Sack nach Hause transportiert. Linus hat viel Mitleid mit den Tieren, die ganz sicher nicht artgerecht zur Schau gestellt werden, sind sie doch Verkaufsgut oder Nahrung und nicht Kuscheltier. So wechseln wir bald auf den riesigen Kunsthandwerksmarkt und weiden uns an den prächtigen Webarbeiten an den unzähligen Standln. Wir fügen unseren Mitbringseln noch einige besondere Stücke hinzu – hier wird handeln erwartet und da wir ein gutes Gefühl für den Preis der Waren haben, macht es richtig Spaß - und freuen uns schon jetzt aufs zu Hause auspacken und das Verschenken.
Mit Vroni und Iris besuchen Io und Linus die örtliche Greifvogelschau, die durchaus mit der Burg Kreuzenstein mithalten kann. Selbst ein Andenkondor fliegt ein Stück vor, obwohl wir ihn nun schon oft in freier Natur gesehen haben, fasziniert der riesige Vogel noch immer. Ein kleiner Greifvogel nimmt sogar auf den Kinderarmen Platz.
Um weitere ecuadorianische Abenteuer zu erleben, machen sich Vroni und Iris mit dem Bus auf den Weg in den Süden, Lagunen wollen hinaufgeritten und Berge hinuntergeradlt werden. Es war eine sehr schöne und gemütliche Zeit zu sechst im Wohnmobil, nun ziehen wir zu viert weiter, ein bisschen wehmütig, denn die letzten Tage unsere Reise brechen an.