Die Strecke ist – wie so oft – länger als gedacht, wir fahren von den kühlen Bergen in Richtung Schwüle der Küste und wieder ersuchen wir an einem Hauptplatz um eine Bleibe für die Nacht. Die Menschen hier in Ecuador sind nach kurzer Anwärmphase sehr hilfreich, so dürfen wir vor dem Tierkraftfuttergeschäft des Señor Byron unser Lager aufschlagen, gut behütet von der Polizei, die in schrottreifen Privatautos ihren Dienst antritt. Zum Frühstück versorgt uns die Ärtzin der Klinik nebenan mit Yucca-Anis-Kuchen. Die Yucca-Wurzel steht, egal in welchem Aggregatzustand, eher ganz unten auf unserer Liste der südamerikanischen Lieblingsspeisen. Wir erfahren, dass Yucca erwärmt und gebacken gallertartig wird und geschmacklos bleibt. Da laben wir uns lieber an sonnengereiften frischen Früchten, erstehen Ananas, Mangos, Papayas, Avocados und Bananen im Familienpack. Beim mittäglichen Zwischenstopp lädt uns der örtliche Uhrturm-Hausmeister in sein Reich ein – seit 43 Jahren kurbelt er täglich die Drahtseile hoch, damit die Gewichte diese wieder runterziehen, um die Glocken exakt um Punkt schlagen zu lassen. Dass das Uhrwerk aus Teilen eines Automotors zusammengebaut ist, erstaunt uns nicht (mehr).
Nach einigen gut getarnten, dafür umso deutlich spürbareren und nicht schwach hohen „rompes de muelles“ – auch liebevoll und sehr treffend Achsenbrecher genannt - und im Kühlschrank zerbrochenen Eiern liegt der Pazifik wieder vor uns, die Scheiben und die Brillen sind sofort mit feinen Salzwasserpartikeln verschmiert, es gibt ein Wiedersehen mit den Mototaxis und die Ceviche schmeckt köstlich.
In Canoa lassen wir uns für eine Weile nieder, hier sind die Bedingungen ideal, um die Seele nach den vielen Reisetagen nachkommen zu lassen, sich in Ruhe mit Divisionen durch zweistellige Zahlen und Hauptwörtern mit Doppellauten zu beschäftigen, Kokosnüsse zu sammeln, den kilometerlangen Strand barfuß entlang zu wandern, in die Tiefen der ecuadorianischen und Gringo-Auswanderer-Küche einzutauchen, Sonnenuntergänge zu betrachten, Weihnachtspost abzuschicken, mit Karin und Paul Karten zu spielen, das erworbene Spanisch aufzupolieren, Obst und Gemüse günstig von Pick-Ups runterzukaufen und dem Meeresrauschen zu lauschen. Der Adventkalender bietet täglich neue Genüsse aus dem ecuadorianischen Süßigkeitensortiment (alto en azúcar!). Die Kinder mausern sich beim Bodyboarden zu Vollprofis, Antiaufschürf- und Antiäquatorsonnen-Bekleidung ist unabdinglich. Den SurferInnen muss Stoffl leider sehnsüchtig zuschauen, der Bänderriss verhindert das ersehnte Reiten auf den Wellen. Den Weihnachtsstress auf der anderen Erdhalbkugel bekommen wir nur durch die Leere in unserem Mail-Postkasten mit. Hier herrscht völlige Ruhe und wir haben keine Ahnung, was Stress auf Spanisch heißt.